FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2006

 

Elternrecht vor Kindeswohl -

Jugendämter und Gerichte contra Pflegekinder

Autor: Udo Rappenberg
(Sendetermin: 12.12.2006, ARD ab 21.45 Uhr)

 

Was hier nach einem fröhlichen Herbstspaziergang aussieht, täuscht. Die Familie macht sich große Sorgen um Aischa, ihr Pflegekind. Denn es besteht die Gefahr, dass die Kleine zurück muss zu ihrer leiblichen Mutter. Als Säugling war Aischa mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Direkt aus dem Krankenhaus wird sie zu den Pflegeeltern gebracht, wo sie jetzt seit fast drei Jahren lebt. Die genauen Umstände der Verletzung wurden nie richtig geklärt.

Die muslimische Mutter des Mädchens gibt an, das Kind sei bei einer Schlägerei mit dem leiblichen Vater heruntergefallen. Aktenkundig ist aber auch, dass der leibliche Vater bereits ein Kind der Frau getötet hatte.

Pflegemutter von Aischa:
„Es ist so gewesen, dass der leibliche Vater also der Mutter in den Bauch getreten haben soll, als sie hochschwanger war, und daraufhin musste das Kind geholt werden, und das Kind soll dann nur noch anderthalb Tage gelebt haben und ist dann verstorben.“

Inzwischen hat die muslimische Mutter den Antrag gestellt, dass Aischa zu ihr zurück gebracht wird. Und die Chancen der Mutter stehen nicht schlecht.

Zu einem andern Fall. Für Monika Hopmann ist die Katastrophe bereits eingetreten. Beim Anblick der leeren Schaukel macht sich bei ihr tiefe Trauer breit. Auch ihre Schwester Renate Kirstein hat sich noch nicht dazu entschließen können, das kleine Kinderbett endgültig wegzuräumen. Die Schwestern machen sich Sorgen um ihre Pflegekinder: türkische Zwillinge, die das Jugendamt nach drei Jahren bei ihnen wieder abgeholt und zu den türkischen Eltern zurückgebracht hat. Nur einige Bilder sind ihnen geblieben.

Im Alter von 10 Wochen waren die Säuglinge den türkischen Eltern von den Behörden zunächst weggenommen worden, weil die psychisch kranke Mutter gedroht hatte, die Kinder umzubringen.

Monika Hopmann, Pflegemutter:
„Sie wollte sich umbringen, sie wollte die Kinder aus dem Fenster werfen, sie hatte also auch erzählt; dass sie als sie schwanger war, eben halt sich umbringen wollte oder die Kinder verlieren wollte, dass sie die erste gar nicht gebären wollte.

Akten, die Report München vorliegen, belegen:
Die leibliche Mutter bricht verschiedene Therapien ab, eine erste Rückführung der Kinder scheitert, weil die türkische Mutter zurück in die Psychiatrie gebracht werden will. Dort wiederholt sie Mord- und Selbstmorddrohungen.

Eine Zeitlang scheint es, als könnten die Zwillinge bei ihren Pflegeeltern in Ruhe und Sicherheit aufwachsen. Doch dann tritt eine dramatische Wende ein: Bei einem Türkeiurlaub wird die türkische Mutter der Kinder von einem Arzt unter Psychopharmaka gesetzt.

Renate Kirstein, Pflegemutter:
„In den Gerichtsverhandlungen hat der Richter es bekannt gegeben, dass die Frau zwei Medikamente nimmt, die sie ständig nehmen muss.

Das zuständige Jugendamt in Pinneberg nimmt die in Deutschland fortgesetzte Dauereinnahme der Psychopharmaka zum Anlass, der leiblichen Mutter nun Erziehungsfähigkeit zu bescheinigen.
In einem daraufhin gefällten Gerichtsentscheid wird die Rückführung der Kinder in deren, wie es heißt, „elterlichen Kulturkreis“ angeordnet. Ein muslimischer Kulturkreis, den diese Kinder nie näher kennen gelernt haben.

Pflegemütter Hopmann und Kirstein:
„Es ist heute noch schmerzlich, weil wir haben die Kinder anlügen müssen, wir durften denen nicht sagen, dass sie nie wieder kommen, dass sie dort jetzt für immer bleiben müssen.
„Ich habe mich ins Zimmer gesetzt und habe die Welt nicht mehr verstanden.“

Die Behörde in Pinneberg will zu den Vorgängen vor der Kamera keine Stellung nehmen. In einem Hintergrundgespräch heißt es: Türkische Betreuer würden bestätigen, dass mit der türkischen Familie alles in Ordnung sei.

Professor Ludwig Salgo ist Experte im Kinder- und Jugendrecht. Das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz hat er maßgeblich mit verfasst.
Für ihn ist der Fall typisch für das Vorgehen deutscher Behörden, wenn es um muslimische Eltern geht.

Ludwig Salgo, Professor für Kinder- und Jugendrecht:
“Gerichte neigen dazu, sehr stark den muslimischen Hintergrund der Herkunftsfamilie in den Vordergrund zu stellen, übrigens auch manche Jugendämter, und die wirkliche Lebenssituation, die Bindungen der Kinder, ihre nach wie vor möglicherweise vorhandene Gefährdung bei der Rückführung in den Hintergrund zu stellen. Und damit würden solche Gerichtsentscheidungen aber auch behördliche Entscheidungen die Rechte der Kinder missachten.“

Doch zurück zu Pflegekind Aischa.
Zwar vertreten Jugendamt und Gutachter in ihrem Fall die Auffassung, dass eine Rückführung zur leiblichen Mutter zur Zeit nicht in Frage kommt. Und so wäre für Aischa die Welt fast in Ordnung, wäre da nicht das Oberlandesgericht in Schleswig. Denn das sieht die Sache offenbar ganz anders.

Pflegevater von Aischa:
„Ich war schockiert, von Anfang an als die Verhandlung anfing und feststellen musste, dass der zuständige Richter die Akte zum ersten Mal gesehen hat, geschweige denn gelesen. Es interessierte ihn auch überhaupt nicht, was bisher vorgefallen war, dieses ganze Gutachten, sondern er vertrat von vornherein die Meinung, Elterrecht geht vor Kindeswohl.“

Das Oberlandesgericht Schleswig lehnte eine Stellungnahme hierzu ab.
Für den Kinder- und Jugendrechtsexperten Ludwig Salgo passt auch dieser Fall ins Bild.

Professor Ludwig Salgo:
„Die Toleranzschwelle gegenüber Gewalt, häuslicher Gewalt in Familien mit muslimischer Herkunft scheint größer zu sein, sowohl Gewalt gegen Frauen als auch Gewalt gegen Kinder. Aber das ist eine sehr fatale Einstellung und Haltung, weil wir sehen ja auch, dass die häusliche Gewalt in diesen Familien weit höher ist, vier bis fünf mal so hoch wie in deutschen Familien, und wenn wir das hinnehmen, dann produzieren wir natürlich weitere Generationen von weiteren neuen gewalttätigen Kindern und dann später auch Eltern. “

Das Oberlandesgericht Schleswig hat jetzt ein neues Gutachten in Auftrag gegeben, das vorrangig die Möglichkeiten einer Rückführung Aischas prüfen soll. Vermutlich noch vor Weihnachten wird das Gericht über das Schicksal Aischas entscheiden.

 

s.a. Verraten und Verkauft

[AGSP] [Aufgaben / Mitarbeiter] [Aktivitäten] [Veröffentlichungen] [Suchhilfen] [FORUM] [Magazin] [JG 2011 +] [JG 2010] [JG 2009] [JG 2008] [JG 2007] [JG 2006] [JG 2005] [JG 2004] [JG 2003] [JG 2002] [JG 2001] [JG 2000] [Sachgebiete] [Intern] [Buchbestellung] [Kontakte] [Impressum]

[Haftungsausschluss]

[Buchempfehlungen] [zu den Jahrgängen]

Google
  Web www.agsp.de   

 

 

 

 

 

simyo - Einfach mobil telefonieren!

 


 

Google
Web www.agsp.de

 

Anzeigen

 

 

 

 


www.ink-paradies.de  -  Einfach preiswert drucken