FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Nachrichten / Jahrgang 2004

 

Verraten und verkauft

Wie ein Jugendamt mit misshandelten Kindern umgeht

(Sendetermin: 2.2.2004, ARD ab 21.00 Uhr)

 

Jahrelang war das Jugendamt Kiel über den sexuellen Missbrauch an Kindern durch die leiblichen Eltern informiert. Eine Anzeige wurde nicht erstattet. Das mussten die Kinder selber tun. Sie leben heute in einer Pflegefamilie. Trotz der Vorwürfe wurden weitere Besuchskontakte der Kinder bei ihren leiblichen Eltern durchgesetzt. Das Jugendamt schließt nicht aus, die missbrauchten Kinder früher oder später zu den leiblichen Eltern zurückzuschicken.

Manuskript der Sendung und Video unter:
http://www.br-online.de/daserste/report/archiv/2004/00113

zum report Diskussionsforum:
http://www.br-online.de/daserste/report/forum

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Verraten und verkauft -
Wie ein Jugendamt mit misshandelten Kindern umgeht
Autor: Udo Rappenberg

Ängste und Sorgen begleiten eine Pflegefamilie auf ihrem Spaziergang durch den winterlich verschneiten Wald. Die Kinder haben Furcht vor ihren leiblichen Eltern und vor allem - auch vor dem Jugendamt. Sie befürchten, dass sie früher oder später zurückgebracht werden könnten. Die leiblichen Eltern stammen aus dem Drogenmilieu. Die Pflegemutter erzählt:

„Die Kinder hatten Würmer, die Kinder haben Sachen mitgebracht, was verkotet war, was wir alles entsorgen mussten“.

Zu Hause bei ihren Pflegeeltern fassen die völlig verstörten Kinder wieder ein wenig Vertrauen und berichten schließlich über Misshandlungen und sexuellen Missbrauch durch die leiblichen Eltern. Birgit Nabert, vom Landesverband der Pflege- und Adoptiveltern in Schleswig-Holstein, hat den Fall von Anfang an begleitet. Ihre Erfahrung mit dem Jugendamt:

„Also bis jetzt hat das Jugendamt die Aussagen überhaupt nicht ernst genommen. Es gibt Kinder, die im Jugendamt Teile von ihren Erlebnissen geschildert haben und im Jugendamt selber wurde den Kindern signalisiert, das kann so nicht passiert sein und das könnt ihr so nicht erlebt haben. Das war in dem Zustand, als deine Eltern heroinabhängig waren. Das kann so nicht zutreffend sein, was ihr da erlebt habt. Daraufhin haben die Kinder das Gespräch eigenmächtig abgebrochen und haben gesagt, wir möchten hier gerne fahren, man nimmt uns hier nicht ernst. In einer Folgesituation ist es passiert, dass die Jugendamtsmitarbeiterin bei einem Hausbesuch gesagt hat: Na wenn ihr eure Aussage aufrecht erhaltet, dann wirst du deinen Vater ja vor Gericht treffen, da wirst du ja sehen was du davon hast. Es ist ihnen ja sogar auch da mit einer Konfrontation gedroht worden.“

Über eineinhalb Jahre ist man hier im Jugendamt der Stadt Kiel durch Berichte der Kinder und der Pflegeeltern über den Verdacht des sexuellen Missbrauchs informiert. Zu keiner Zeit sieht man in der Behörde einen Anlass, dem weiter nachzugehen und ein Ermittlungsverfahren gegen die leiblichen Eltern in Gang zu bringen. Die Gründe dafür erklärt Alfred Bornhalm vom Amt für Familie und Soziales der Stadt Kiel so:

"Es ist nicht immer angezeigt, Strafanzeige zu stellen. In diesem Fall waren wir zunächst noch nicht sicher, ob das, was die Kinder berichten, entsprechend verwertet werden kann. Ob es auch in die Situation münden kann, dass daraus sich verdichtet, dass ein Strafverfahren eingeleitet wird.“

Schließlich nehmen die Geschwister selbst allen Mut zusammen und gehen gemeinsam mit ihrem Therapeuten zur Polizei um Anzeige zu erstatten. Im Bericht des Therapeuten heißt es über das Motiv der Kinder:

„Tagsüber spielen die Kinder oft Gericht, in der Hoffnung, dass ihnen geglaubt wird. Sie verurteilen die Eltern…. Sie wünschen, dass das Unrecht, das sie erlebt haben, nie wieder ihr Leben bestimmt."

Bei der Kripo kommt es zu erschütternden Aussagen. Das 9-jährige Mädchen erzählt:

„Mein Vater, also der hat, also der hat so ein spitzes Teil genommen und dann hat er das bei meiner kleinen Schwester und bei mir reingesteckt, in die Scheide. Meine Mutter, die ist dann da auch mit denen, also mit den Frauen mit den Stöckelschuhen und mit den Handtaschen rumgelaufen an der Straße und dann kam Papi, also mein Vater und hat dann mich abgeholt mit den anderen Männern und dann haben die das wieder gemacht.“

report München fragt nach bei Alfred Bornhalm:

„Finden Sie das nicht beschämend, dass die Kinder, die betroffenen und misshandelten Kinder, zur Kriminalpolizei laufen müssen um eine Anzeige zu erstatten, und das nicht von Seiten des Jugendamtes erfolgt, obwohl Sie über die Missbrauchsvorwürfe lange Zeit informiert sind?"

Antwort Alfred Bornhalm: "Ich finde, dass Sie maßlos mit dieser Frage überziehen und an den realen Verhältnissen vorbei gehen."

Als maßvoll und sachgemäß wird dagegen vom Jugendamt das eigene Vorgehen bezeichnet. Seit langem über den Verdacht sexuellen Missbrauchs informiert, werden vom Jugendamt dennoch Besuchskontakte der Kinder bei ihren leiblichen Eltern durchgesetzt. Hierzu sagt Alfred Bornhalm:

„Die Wahrheit ist, den letzten Besuchskontakt hat es im Februar letzten Jahres gegeben. Das ist jetzt tatsächlich fast ein ganzes Jahr her."

Frage report München: "Zuvor haben Sie von den Vorwürfen gewusst, das haben Sie ja gerade zugegeben."

Antwort Alfred Bornhalm: "Wir haben von den Vorwürfen von sexuellem Missbrauch beziehungsweise ähnlichen Handlungen den Mädchen gegenüber gewusst, ja das ist richtig."

Frage report München: "Den Jungen gegenüber nicht?"

Antwort Bornhalm: "Bezüglich der Jungen nicht, nein."

Frage report: "Und das ist für Sie ein großer Unterschied und veranlasst Sie, die Jungen da doch hingehen zu lassen?"

Antwort Bornhalm: "Wir müssen die Gesamtsituation betrachten und wir müssen eine Abwägung vornehmen, was ist richtig, was ist vertretbar, was liegt im Interesse der Kinder.“

Kinder als Versuchsobjekte? Drohungen, die Besuchskontakte durchzusetzen, soll es nach Aussage des Jugendamtsleiters nicht gegeben haben. Die Pflegemutter hat das anders in Erinnerung.

„Man hat uns mehrfach gedroht, würden wir nicht mit dem Amt zusammen arbeiten, würde das Amt mit den Eltern zusammenarbeiten und würde uns die Kinder rausholen."

Erst als die Jungen nach Besuchen bei den Eltern berichten, fremde Männer hätten sie dazu bringen wollen, Mädchenkleider anzuziehen, werden die Besuche vom Jugendamt ausgesetzt. Bislang liegt das Sorgerecht für die Kinder immer noch bei den leiblichen Eltern. Die würden sich kooperativ verhalten, heißt es von Seiten des Jugendamtes.
Offenbar nicht zur Kenntnis genommen werden Drohungen gegen Kinder und Pflegeeltern von Seiten des Vaters. Sein Kind sagt:

„Er hat gesagt, wenn ich das meinen Pflegeeltern erzähle, dann bringt er mich um.“

Birgit Nabert vom Landesverband der Pflege- und Adoptiveltern in Schleswig-Holstein erklärt, warum das Jugendamt so handelt:

„Grundsätzlich hat das Jugendamt die Position, das Sorgerecht bleibt bei den Eltern. In diesem speziellen Fall ist es so, dass es auf jeden Fall bei den Eltern bleiben soll, damit sie in diesem laufenden oder anstehenden Verfahren nicht als Versager dastehen.“

Frage report München: „So die Aussage des Jugendamtes?“

Antwort Birgit Nabert: „So die Aussage des Jugendamtes, ja, vor ganz kurzer Zeit.“

Das Sorgerecht dient möglicherweise als juristische Hintertür, um die Kinder doch wieder zurückzuführen. Das sei derzeit kein Thema, heißt es von Seiten des Jugendamtes. In report München vorliegenden Schreiben ist davon aber durchaus die Rede. In der Aussage des Kindertherapeuten heißt es weiter:

"Vom Jugendamt fühlen sich die Kinder nicht unterstützt. Ständig erleben sie in Gesprächen, dass nur die Wünsche der Eltern gehört werden. Sie haben Angst, dass das Jugendamt den Eltern hilft und sie auf der Straße geschnappt werden und der Alptraum wie angedroht weitergeht."

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