FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Erfahrungsbericht / Jahrgang 2004

 

Pflegeeltern tragen Gerichts- und Gutachtenkosten

 

Vorbemerkung: Der nachfolgende Hilferuf an den Petitionsausschuß des Bundestages zeigt, mit welch unglaublichen Zumutungen Pflegeeltern hierzulande konfrontiert werden.

Ø das Jugendamt wartet mit der Herausnahme und Unterbringung in einer Pflegefamilie trotz Kenntnis der unhaltbaren Zustände in der Herkunftsfamilie, bis die Kinder aufgrund andauernder Vernachlässigung und Mißhandlung gründlich traumatisiert sind;
Ø entgegen aller fachlichen Stellungnahmen werden den Kindern Kontakte zur Herkunftsfamilie aufgenötigt und trotz dramatischer Folgen fortgesetzt;
Ø fachärztliche Gutachten werden vom Jugendamt ignoriert;
Ø im Gerichtsverfahren stellt sich heraus, daß die leibliche Mutter gar nicht an Kontakten zu den Kindern interessiert ist, sondern nur dem Drängen des Jugendamtes folgte;
Ø die Hälfte der Gutachten- und Gerichtskosten werden den nicht unterhaltsverpflichteten Pflegeeltern aufgebürdet, obwohl diese in dem Verfahren nicht ihre, sondern die Interessen der Kinder vertraten;
Ø die Beschwerde gegen diese Kostenentscheidung wird vom Oberlandesgericht abgewiesen, obwohl mehrere andere Oberlandesgerichte entschieden haben, daß Pflegeeltern nicht zu den Verfahrenskosten herangezogen werden können;
Ø Eine grundsätzliche Klärung der Kostenpflicht durch den Bundesgerichtshof wird durch Nichtzulassung der Beschwerde blockiert.

Hier ist unsere und die Solidarität aller Pflegeelternverbände herausgefordert!

G. E. (Mai, 2004)

 

Die Pflegekinder T. und M. S. (geb. xx.xx.1994) leben seit xx.xx.1998 in unserer Familie. Sie kamen beide traumatisiert, im schwer vernachlässigten und misshandelten Zustand (verkrümmte Zehen, Striemen, blutender Rücken, Haut total verschmutzt und wie Leder, stinkend, psychosozialer Minderwuchs, starke Ängste, fast verhungert, können kaum sprechen, autistisch, trinken aus der Toilette, verdrückter Penis, urinieren und koten in alle Zimmer usw.) zu uns.

Zur Zeit der Inpflegenahme bis 2001 lebten wir im Landkreis Calw.

Das Jugendamt betreute die Mutter bereits während der Schwangerschaft mit den Kindern und anschließend.

Zu Beginn wurde uns von der Sozialarbeiterin mitgeteilt, dass die Kinder so schwer vernachlässigt sind, dass wir auf keinen Fall Kontakte zur Herkunftsfamilie zulassen sollen, auch nicht in Zukunft. Sie verlies das Jugendamt.

Die nächste Sozialarbeiterin (SA) wollte nach sechs Monaten Kontakte beginnen. Wir ließen uns darauf ein, aber die Kinder wurden dadurch schwerst retraumatisiert. Das JA stellte die Kontakte wieder ein. Die SA wechselte wieder. Die neue SA wollte wieder unbedingt Besuchskontakte, sie verneint die Erfahrungen der Kinder. Der erfolgte Kontakt (nach 1,5 Jahren) traumatisierte die Kinder wieder massiv und warf sie in den alten Entwicklungsstand zurück. Die SA drängte auf weitere Kontakte.

Wir informierten uns bei Fachleuten (u.a. Prof. Salgo) und ließen in der Universität Tübingen ein Gutachten erstellen. Die Gutachter schreiben am xx.xx.99: „Jeder Kontakt mit der Ursprungsfamilie führt zu einer schweren psychischen Beeinträchtigung der Kinder und zu Zurückschlägen. Wir halten deshalb für das weitere positive Ergehen der Kinder eine vormundschaftliche Entscheidung und Absicherung für essentiell und schlagen vor diese dringlich beim Vormundschaftsgericht zu beantragen.“

Das JA sieht keinen Handlungsbedarf und drängt trotzdem weiter auf Kontakte.

Unterstützt von Kinderarzt und Psychologen weisen wir auf die Retraumatisierung hin.

Am xx.xx.2000 beantragt die SA Frau H. (Jugendamt Calw) beim Landgericht Nagold die Erstellung eines Gutachtens, ob und in welcher Weise der Umgang erfolgen kann.

In diesem Antrag ist dann doch von Vernachlässigung die Rede. Es wird mitgeteilt, dass wir als Pflegeeltern Kontakte verweigern.

Auftraggeber für das Gutachten und das Verfahren ist also das Jugendamt Calw.

Das folgende Verfahren hat sich dann bis Mai 2003 hingezogen. Das Gutachten wurde über einen langen Zeitraum erstellt. Der Gutachter stellt u.a. fest „dass sie (die Kinder) absolut verwahrlost, misshandelt und völlig unterversorgt waren..., dass es eine überfällige Entscheidung der Jugendämter war, der Mutter die Kinder wegzunehmen.... Es wäre es gutachterlicher Sicht verantwortungslos direkte Kontakte durchzuführen.“

Er bestätigte also entgegen der Hoffnungen des JA die Sichtweise der UNI Tübingen und der Pflegeeltern.

Da sich das Verfahren lange hinzog und das JA Calw trotz nochmaliger Bitte der UNI Tübingen keine Sorgerechtsentscheidung beantragte, beantragten wir als Pflegeeltern am xx.xx.2003 (nach Erstellung des Gutachtens am 8.4.2002) die teilweise Übertragung der Personensorge.

Am xx.xx.2003 findet die Verhandlung im Amtsgericht Nagold statt.

Hier teilt Frau S. (Herkunftsmutter) u.a. mit, dass sie dieses Verfahren nicht wollte, sondern vom JA dazu gedrängt worden sei.

Von den Jugendämtern nimmt kein Vertreter an der Verhandlung teil.

Wir bieten der Mutter an, im Abstand von sechs Wochen zu schreiben, was sie akzeptiert.

Sie überträgt uns Teile der Personensorge.

Der Richter kritisiert die Arbeitsweise des JAs und teilt unsere Meinung, dass es durch deren Abwesenheit zu einem guten Konsens kommen konnte.

Das Verfahren hat uns über 6000 Euro Anwaltskosten gekostet.

Zu unserer Bestürzung erhalten wir von der Landesoberkasse Metzingen eine Kostenforderung in Höhe von 3117,35 Euro.

Wir sollen die Hälfte der Gutachterkosten und der Gerichtskosten tragen.

Dagegen legt unser Anwalt Beschwerde ein.

Das Gutachten wurde auf Antrag des JA erstellt, trotz des Gutachtens von Tübingen.

Wir haben bei der Begutachtung aus freien Stücken mitgearbeitet, obwohl wir nicht dazu verpflichtet gewesen wären. Wir haben uns für das Wohl der Kinder eingesetzt und wurden zu dem Verfahren gezwungen. Das Gutachten wurde vor unserem Antrag auf Übertragung von Teilen der Personensorge erstellt und hatte nur das Thema „Besuchskontakte“.

Wir sind als Pflegeeltern nicht verpflichtet, finanzielle Leistungen in dieser Weise zu erbringen. (Die Anwaltskosten allein entsprechen schon in etwa 4,5 unserer Monatsgehälter)

Die Beschwerde wurde vom OLG Stuttgart (8WF 103/03) abgelehnt, obwohl es zahlreiche Urteile darüber gibt, dass Pflegeeltern (selbst wenn sie Antragsteller sind) keine Gerichtskosten zahlen müssen.

(OLG Celle, 21.11.02, 18 WF 53/02, OLG Frankfurt (Jur.Büro 1981,1055), BayObLG (1994, 1; FamRz1998,37) und weitere. Es ging im Verfahren eindeutig um die Kinder und nicht um uns.

Es kann nicht sein, dass Pflegeeltern in Deutschland noch bestraft werden, wenn sie sich für Kinder einsetzen.

Wir wenden uns auch deshalb an Sie, weil wir in mehren Selbsthilfegruppen für Pflegeeltern tätig sind und es im Interesse aller verängstigten Pflegeeltern ist, dieses Problem zu klären.

Denn, wenn dies zum allgemeinen Maßstab wird, können Jugendämter Verfahren provozieren und engagierte Pflegeltern finanziell ruinieren.

Hier ist dringend der Schutz von Pflegeeltern gefordert, die doch eigentlich eine wichtige Aufgabe für den Staat übernehmen.

Weiterhin hat das OLG die Beschwerde beim Bundesgerichtshof nicht zugelassen, obwohl dort, auf Grund der deutschlandweit vorliegenden Urteile, sicher große Chancen bestehen.

Es wäre uns und zahlreichen anderen Pflegeeltern und deren Pflegekindern sehr geholfen, wenn Sie sich für unser Anliegen einsetzen würden und die Gutachterkosten nicht wir, (sondern eventuell das JA Calw) zahlen müssten.

Familie M.

 

 

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