FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Diskussion / Jahrgang 2005

 

Kinder- und Jugendkriminalität
– Schicksal einer modernen, offenen Gesellschaft? –

Strategien des DRB NRW zur Bekämpfung
 der Kinder- und Jugendkriminalität

vorgelegt anlässlich des internationalen Tags der Kinderrechte am 20. November 2004

Pressekonferenz des Deutschen Richterbun des - Landesverband Nordrhein-Westfalen
am 18.11.2004
Eingangsstatement des Geschäftsführers, ROLG Jens Gnisa
(es gilt das gesprochene Wort)

 

I ) Ausgangslage

1) In Deutschland ist seit rd. 35 Jahren ein in verschiedenen Phasen verlaufender Anstieg der Kriminalität zu verzeichnen, der seine Ursachen in gesellschaftlichen Verwerfungen findet. Hiervon werden Kinder und Jugendliche in besonderer Weise erfasst, da sie noch einer dynamischen persönlichen Entwicklung unterliegen.

2) Neben diesen allgemeinen Entwicklungen wird die Kinder- und Jugendkriminalität durch drei weitere Faktoren negativ beeinflusst. Dies sind:

a) eine geschwächte Fähigkeit der Gesellschaft, Grenzen zu setzen und damit zur Einhaltung verbindlicher Regeln zu erziehen;

b) eine Vernachlässigung des Bindungsbedürfnisses der Kinder- und Jugendlichen;

c) kulturelle Konflikte durch Migration.

3) Eine erfolgreiche Bekämpfung der Kinder- und Jugendkriminalität kann nur im Wege einer Doppelstrategie Erfolg haben. Zum einen ist unverzüglich mit einer breit angelegten Erziehungsoffensive zu beginnen. Zum anderen ist das Jugendgerichtsgesetz konsequent einzusetzen.

II ) Erziehungsoffensive

1) Erziehung ist eine allgemeine gesellschaftliche Aufgabe und Teil der elterlichen Sorge. Der Deutsche Richterbund – NRW – ruft dazu auf, diese Verantwortung wieder in das Zentrum des gesellschaftlichen Bewusstseins zu rücken. Der Staat kann fehlende gesellschaftliche Voraussetzungen nicht vollständig ausgleichen. Er hat allerdings geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und kann in seinem Bereich Erziehungskonzepte konsequent umsetzen. Der Staat hat daneben sein Wächteramt strikt auszuüben.

2) Der Deutsche Richterbund – NRW – schlägt folgende Maßnahmen für eine Erziehungsoffensive vor:

a) Die Finanzierung der Erziehungsberatung ist durch eine 10%ige Kürzung der Landesmittel gefährdet. Sie ist umgehend sicherzustellen. Langfristig sollte von der gegenwärtigen Mischfinanzierung Abstand genommen werden. Dann sind allerdings einheitliche Standards festzulegen.

b) Das Betreuungsangebot für Kinder bis 14 Jahren ist lückenlos zu gewährleisten. Der Staat unternimmt zwar für eine Verbesserung der Betreuung anerkennenswerte Anstrengungen, es fehlt jedoch an einem schlüssigen Gesamtkonzept. Unter den gegenwärtigen restriktiven Haushaltsbedingungen wird der Staat nur dann die notwendige Priorität setzen, wenn ein gesetzlicher Anspruch der Bürger auf einen Betreuungsplatz geschaffen wird.

c) Es ist eine Kontrollinstanz einzurichten, um Fehlentwicklungen bei Kindern frühzeitig zu erkennen. Kinder sollten deshalb – zumindest dann, wenn sie keinen Kindergarten besuchen - mit Ablauf des 4. Lebensjahrs einer ärztlichen Untersuchung unterzogen werden. Hierzu kann auf den schulärztlichen Dienst zurückgegriffen werden.

d) Die Aufgaben der Kindergärten sind um die Bereiche Integration, sprachliche Förderung und Vorbereitung auf den Schulbesuch zu erweitern. Der Besuch des Kindergartens ist zur Erhöhung der Akzeptanz gebührenfrei zu gestalten.

e) In den Schulen ist ein beunruhigender Autoritätsverlust der Lehrerschaft zu verzeichnen. Dem ist rechtlich durch eine Reform der möglichen erzieherischen Einwirkungen und der schulischen Ordnungsmaßnahmen zu begegnen. Diese sind bisher zu bürokratisch und unflexibel gestaltet. Die gesetzlichen Kataloge sind zu erweitern. Als Ordnungsmaßnahmen bieten sich u.a. Arbeiten für die Schulgemeinschaft und Verkürzung der Ferien an. Der Schulausschluss ist demgegenüber pädagogisch kontraproduktiv und deshalb zu vermeiden. Daneben bedarf es der verbesserten Lehrerausbildung. Im Fall von Straftaten, bei denen es keines Strafantrags bedarf, sind die Staatsanwaltschaften von der Schulleitung stets zu benachrichtigen.

f) Die Schulsozialarbeit ist zu institutionalisieren, um ein Bindeglied zwischen Schule und Jugendamt herzustellen.

g) In den Schulen ist das Fach der praktischen Pädagogik einzurichten, um die Erziehungskompetenz der künftigen Eltern zu stärken.

h) Die Arbeit der Jugendämter, Erziehungsberatungsstellen, Polizei, Staatsanwaltschaft, Familien- und Jugendgerichte sind zu vernetzen. Die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für einen geeigneten Informationsaustausch sind zu schaffen. Über eine Anzeigepflicht einzelner Behörden gegenüber dem Jugendamt ist nachzudenken.

i) Für Jugendliche mit besonderen Fehlentwicklungen reicht das Spektrum der vorhandenen Erziehungseinrichtungen nicht aus. Es sind Einrichtungen zu schaffen, die auf Grund ihrer örtlichen Lage ein Entweichen erschweren. Darüber hinaus sind Plätze in geschlossenen Heimen einzurichten, da nach den Erfahrungen der Praxis ein dringendes Bedürfnis dafür besteht.

j) Die Jugendämter sollten vermehrt bei den Gerichten vormundschaftsgerichtliche Ermahnungen, Ge- und Verbote beantragen. Bei nachhaltigen Verstößen ist ein Verfahren auf Entzug der elterlichen Sorge einzuleiten.

k) Den Gerichten sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, den Jugendämtern bestimmte Weisungen zu erteilen.

III ) Jugendgerichtsgesetz

1) Die Möglichkeiten des JGG werden derzeit noch nicht ausgeschöpft. Die strafrechtliche Praxis ist deshalb zunächst durch Organisationsmaßnahmen zu verbessern. Dies betrifft den Informationsfluss vor Ort, die Fortbildung der Richter und Staatsanwälte sowie die sächliche und personelle Ausstattung der Gerichte, Staatsanwaltschaften, Arrest- und Jugendstrafvollzugsanstalten.

2) Das Jugendgerichtsgesetz ist in seiner gegenwärtigen Fassung im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Es ist geeignet, um auf die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu reagieren. Es bedarf weder einer Herabsetzung der Strafmündigkeit, noch einer Ausweitung der zulässigen Höchststrafe über 10 Jahre hinaus. Reformbedarf besteht nur für einzelne punktuelle Maßnahmen. Der Deutsche Richterbund – NRW – unterbreitet hierzu folgende Vorschläge:

a) Es ist rechtlich zu gewährleisten, dass Jugendrecht nur im Ausnahmefall auf Heranwachsende Anwendung findet.

b) Folgende Weisungen sind in den Katalog des § 10 JGG aufzunehmen:

- Fahrverbot als eigenständige Sanktion ( soweit die Anlasstat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht ),

- Meldepflicht,

- Verbot des Mitsichführens bestimmter Gegenstände.

c) Das gesetzliche Verbot, neben Jugendstrafe Zuchtmittel anordnen zu können, ist aufzuheben.

d) Die Anbindung des Verurteilten an die Bewährungshilfe sollte verbessert werden. Weisungen sollten im Rahmen der Bewährung aufgewertet werden.

e) Die Möglichkeit eines Vorführungsbefehls im vereinfachten Jugendverfahren ist zu schaffen.

Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an: Jens Gnisa, ROLG Tel.: 01713426655.

 

 

 

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