FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Nachrichten / Jahrgang 2006

 

Unfallversicherung als gesetzliche Pflichtversicherung durch die Berufsgenossenschaft? - Orientierungshilfe

 

Seit der Änderung des KJHGs am 1.10.05 ist die BGW aktiv gegenüber Pflegepersonen, Eltern, Verbänden und den Jugendämtern und reklamiert, dass Pflegepersonen (Pflegeeltern) gesetzlich pflichtunfallversichert sind.

Sie wirbt offensiv dafür, dass z.B. die Jugendämter diese Position an Pflegeeltern weitergeben und diese auffordern, sich bei der BGW selbstständig zu melden.

Gegen diese Position gibt es durchaus ernstzunehmende juristische und fachliche Argumente.

Die BGW erklärt:

  1. Pflegeeltern sind gesetzlich pflichtversichert – daraus folgert, dass sich Pflegeeltern als selbstständig tätige Personen bei der BGW melden müssen und die BGW auf der Grundlage ihrer Angaben die Beitragshöhe durch einen Bescheid festlegt.
  2. Beitragssumme :
    nach den uns vorliegenden Informationen werden Pflegepersonen eingruppiert in der Gefahrtarif 3.4 – wie Heime der Kinder und Jugendhilfe oder Wohngemeinschaften.
    Daraus ergibt sich eine Beitragshöhe von 128,52 € für das Beitragsjahr 2004.
  3. Die BGW geht davon aus, dass sich der Beitrag auf die einzelne Pflegeperson bezieht und deshalb bei PflegeELTERN beide gesetzlich pflichtversichert seien und sich der Beitrag somit verdoppelt.

Versicherungsleistung:

Die Versicherungsleistungen umfassen im wesentlichen Heilbehandlung, Teilhabeleistungen z.B. Berufshilfe, soziale Rehabilitation und Geldleistungen ( Verletztengeld, Rente)

Beispiel:

Welche Tätigkeiten in der Vollzeitpflege sind versichert:

Aus Sicht der BGW sind all jenige Tätigkeiten gesetzlich versichert zu denen sich die Pflegeeltern im Rahmen des Pflegeverhältnisses verpflichtet haben. Versichert sind aber nur jene Tätigkeiten, die sich ausschließlich oder überwiegend unmittelbar auf das Pflegekind beziehen. Nicht versichert sind danach Tätigkeiten, die überwiegend der gesamten Wohnungsgemeinschaft gleichzeitig aber auch dem Pflegekind nutzen.  Beispiel: Essen

Einschätzung des LJA Westfalen Lippe und des DIJuF (Dt.Institut für Jugendhilfe+Familienrecht)

Die Bewertung der BGW „Pflegepersonen seien gesetzlich unfallversichert“ wird z.B. durch das LJA West.Lippe und das DIJUF Rechtsgutachten vom 27.2. 06 (in der Zeitschrift Jamt 3-06 S. 130)  nicht geteilt.

Als Argumente gegen diese Bewertung der BGW werden benannt:

  1. BGW sei nicht zuständig, denn es gibt bisher noch keine einzige Rechtsprechung,  die diese Versicherungspflicht behandelt – im Gegensatz zur Versicherungspflicht der Tagesmütter
  2. Der Gesetzgeber hat im SGB VIII § 39 Abs. 4 bestimmt, dass die Beiträge zu einer Versicherung übernommen werden. – Würde es sich um eine gesetzliche Pflichtversicherung handeln, würde der Gesetzgeber dies auch so ausdrücken und schreiben DIE Versicherung muss übernommen werden. Der Gesetzgeber hat die gesetzliche Unfallversicherungspflicht nicht gewollt, sondern bietet im Gesetz den Pflegeeltern die Möglichkeit an, sich für eine Unfallversicherung ihrer Wahl zu entscheiden. Das Kernkriterium des Gesetzgebers ist, dass die Höhe der Kosten anerkennungsfähig ist.
  3. Kosten des Beitrags – Versicherungsleistungen:

    Die Eingruppierung in den Gefahrentarif 3.4 entspricht der Eingruppierung von hautpamtlich Beschäftigten in Einrichtungen, die beruflich junge Menschen rund um die Uhr betreuen. Pflegeeltern sind für ihre Pflegekinder rund um die Uhr da, sie tun dies aber nicht aus Erwerbsgründen und erhalten dafür auch keine Vergütung oder ein Gehalt.

    Es ist völlig widersinnig, dass die BGW nur jene Tätigkeiten pflichtversichert sieht, die die Pflegeperson unmittelbar und NUR mit dem Pflegekind verbringt z.B. es fördert, es stützt ,es transportiert etc. Dieser Blickwinkel widerspricht dem fachlichen Auftrag der Integration des Pflegekindes in die Familie. Die Fallkonstruktionen, die die BGW zugrunde legt, treten faktisch in einer Pflegefamilie nur zu ganz geringen Anteilen überhaupt auf, so dass die Versicherung nur ganz selten greifen würde. Das Risiko der BGW leisten zu müssen, ist daher als ganz gering einzuschätzen.

    Hierzu erklärt die BGW selbst: Für die Absicherung allgemeiner Lebensrisiken und Unfälle bei privaten Tätigkeiten ist die gesetzliche Unfallversicherung nicht vorgesehen.

    Mit der Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie verbindet sich die fachliche Vorstellung, einen jungen Menschen in privaten, familiären Verhältnissen aufwachsen zu sehen. Besonderheit der Pflegefamilie ist genau dieses Aufwachsen eines jungen Menschen im privaten Kontext und das unterscheidet die Pflegefamilie deutlich von institutionalisierter Erziehungshilfe.

    Genau dies sind auch unsere inhaltlich fachlichen Positionen. Die Frage, ob Pflegepersonen gesetzlich unfallversichert sind, kann abschließend – aufgrund der unterschiedlichen Auslegungen – letztendlich nur gerichtlich entschieden werden.

    Das Landesjugendamt Westfalen-Lippe hat sich gegen die gesetzliche Unfallversicherungspflicht ausgesprochen und wird hierzu in einem Rundschreiben kurzfristig die örtlichen Jugendämter informieren.

    Möglicherweise ist die BGW sich ihrer eigenen  Rechtspositionen nicht sonderlich sicher. Einerseits reklamiert sie die gesetzliche Unfallversicherungspflicht von Beginn der Tätigkeit der Vollzeit-Pflegeperson an – andererseits unterbreitet sie Angebote von dieser gesetzlichen Norm abzuweichen:

    mit Fristsetzung bis 30.6.06 erklärt die BGW
    • Pflegeeltern, die sich bis zu diesem Zeitpunkt bei ihr angemeldet haben, von der      rückwirkenden  Zahlung zurückliegender Jahre zu befreien und erst eine Beitragsberechnung ab dem 1.10.05 vorzunehmen bzw. die bisher für den Zeitraum vor dem 1.10.05 gezahlte Beiträge zurück zu zahlen.

    behauptet die BGW,

      bei Ehepaaren einer Pflegefamilie seien beide pflichtig, in konkretem Fall bietet sie jedoch an, auf den Pflichtbeitrag EINES  Ehepartners zu verzichten.

NOCH WICHTIG zum DATENSCHUTZ:

  1. Jugendämter dürfen den Namen und die persönlichen Daten der Pflegeeltern nicht an die BGW weiterleiten
  2. Die BGW hat keinen Anspruch auf Einsichtsnahme in diese Daten – auch nicht in Hilfepläne, Verträge oder Vereinbarungen zwischen allen Beteiligten.
  3. Die BGW kann und darf daher NICHT anhand solcher Unterlagen feststellen, wer nun sogenannt pflichtversichert sei.

Liebe Pflegeeltern, schickt bitte keine Hilfepläne an die BGW!

Empfehlung

Wir haben noch Luft bis zum 30.6.05.

Wir hoffen, dass bis dahin die juristische Diskussion tragfähige und gerichtsfeste Argumente hervorbringt ob:

a)eine gesetzliche Unfallversicherungspflicht überhaupt vorliegt   oder

b) ob Pflegeeltern ein eigenes Wahlrecht für eine entsprechende Unfallversicherung haben.

Deshalb empfehlen wir Ihnen, sich zur Zeit NICHT bei der BGW zu melden.

Wir werden Sie kurz vor Ablauf der Frist erneut über den Sachstand informieren.

 

Henrike Hopp    
Geschäftsführerin PAN e.V.
Vorsitzende BAG KiAP    

Bernd Hemker
Fachbereich Erziehungshilfen
Paritätischer NRW

 

 

 

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