FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Präsentation / Jahrgang 2007

 



Karl Heinz Brisch
& Theodor Hellbrügge (Hrsg.)

Die Anfänge der Eltern-Kind-Bindung

Schwangerschaft, Geburt und Psychotherapie

Klett-Cotta 2007
(304 Seiten, 36 Euro)

 


Vorbemerkung: Die beträchtliche Bedeutung der prä- peri- und post-natalen Phasen für die psychosoziale Entwicklung steht in auffälligem Gegensatz zum geringen Umfang der diesbezüglichen Fachliteratur. Schon daraus resultiert die besondere Bedeutung des von Brisch und Hellbrügge herausgegebenen Sammelbandes, der auf einen am 2./3. Dez. 2005 im Haunerschen Kinderspital der Universität München durchgeführten Kongreß über »Die Anfänge der Eltern-Kind-Bindung« zurückgeht. Da die einzelnen Beiträge in der Einleitung kurz vorgestellt werden, erübrigt sich deren Darstellung von unserer Seite.

Über das Programm des Buches informiert der Klappentext:
»Die Entwicklung der Bindung zwischen Eltern und Kind beginnt bereits vor der Geburt. Sie wird entscheidend durch Erfahrungen beeinflußt, die während der  Schwangerschaft, bei der Geburt und in den ersten Lebensmonaten gemacht werden. Diese sensible frühe Entwicklungszeit kann erheblich belastet sein, etwa im Falle vorzeitiger Wehentätigkeit, wenn eine postpartale Depression, eine Drogenabhängigkeit oder der Verdacht auf eine Fehlbildung des Fetus vorliegt, oder wenn die Eltern traumatischen Erfahrungen ausgesetzt waren. Die Autoren erläutern, welche Möglichkeiten professioneller Begleitung bereitstehen. Sie zeigen, was die perinatale Psychotherapie zu leisten im Stande ist, und stellen bedeutsame Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zur Bindungsentwicklung während der Schwangerschaft und Geburt vor. Das Buch richtet sich an alle Berufsgruppen, die Kind und Eltern in der Zeit vor und nach der Geburt betreuen, wie etwa Hebammen und Geburtshelfer, Kinderärzte, Psychiater, Kinderpsychologen, Kinderpsychiater, Psychotherapeuten, Heilpädagogen, Erzieher und Sozialarbeiter.«

Die mitwirkenden Autoren können aus dem Adressenverzeichnis ersehen werden:
Dr. med. Carola Bindt, OÄ, Poliklinik für Kinder/Jug.sychosomatik, Univ.klin. Eppendorf, Hamburg.
PD Dr. med. habil. Karl-Heinz Brisch, OA im Klinikum der Univ. München, Kinderklinik im Haunerschen Kinderspital, Leiter der Abt. für Pädiatr. Psychosomatik/Psychotherapie.
Prof. Dr. Ian Brockington, M.phil., M.D., Emeritus an der Univ. Birmingham, UK.
Dr. Nadla Bruschweiler-Stern, M. D.. Pediatrician and Child Psychiatrist, Dir. of the Brazelton Center of Switzerland, Clin. des Grangettes.
PD Dr. med. Hans-Peter Hartmann, Dipl.-Psych.und Bettina Grande, Dipl.-Psych., Zentrum für Soz. Psychiatrie, Heppenheim.
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Theodor Hellbrügge, Internat. Akad. für Entwickl.-Rehabil., München.
Prof. Dr. Gerald Hüther, Neurobiologe, Abt. f. Neurobiol. Grundl.forschung an der Psychiatr. Klinik der Univ. Göttingen.
Dr. Ralph Kästner, Dr. Kristin Härtl, Prof. Dr. Manfred Stauber, Frauenklinik der Univ.
München
Prof. Dr. John Kennell, M. D., Case Western Reserve Univ. School of Medicine, Ohio, USA.
Prof. Dr. Marshall Klaus, M.D., Professor für Pädiatrie, Berkeley, USA.
Phyllis Kraus, Marriage/Family Therapist, Clinical Social Worker, Berkeley, USA.
PD Dr.med. Fernanda Pedrina. Kinder/Jug.psychiatrie, Psychoanalyse, Zürich, Schweiz.
Prof. Dr.Alessandra Piontelli, M.D., Visiting Professor, Dep. of Child Psychiatry,
Researcher, Dep. of Maternal-Fetal Medicine, Univ. Mailand, Italien.
Prof. Dr. Wulf Schiefenhövel, Humanethologe, Max-Planck-Gesellschaft, Andechs.
Dr. med. Gisela Schleske, Fachärztin f. Kinder/Jug.psychiatrie/psychotherapie, Freiburg.
Prof. Daniel N. Stern, M. D., Ch. de Clairejoie, Genf, Schweiz.
Prof. Kerstin Uvnäs-Moberg, M.D. Ph.D., Prof. Eva Nissen, Prof. Anna-Berit Ransjö-Arvidsson. Prof. Anne-MarieWidström. Dep. of Animal Envir. and Health, Univ. of Agricult. Sciences, Skara, and Dep. for Women and Child Health, Karolinska Inst., Stockholm, Schweden.
Dr. rer. nat. Harald Wurmser, Dipl.-Psych., Kinderklinik der TU München.

Das Inhaltsverzeichnis dokumentiert die große Bandbreite der behandelten Themen:
GISELA SCHLESKE: Schwangerschaftsphantasien von Müttern und ihre psychoanalytische Bedeutung für die frühe Mutter-Kind-Beziehung.
GERALD HÜTHER: Vorgeburtliche Einflüsse auf die Gehirnentwicklung.
CAROLA BINDT: Ungetrübtes Familienglück oder neue Risikokonstellation? Elternschaft und Kindesentwicklung nach reproduktionsmedizinischer Behandlung.
RALPH KÄSTNER, KRISTIN HÄRTL UND MANFRED STAUBER: Das Konzept der psychosomatischen Betreuung von drogenabhängigen Schwangeren: Bedeutung für die Mutter-Kind-Beziehung
WULF SCHIEFENHÖVEL: »Bedding-in« als Prophylaxe gegen Baby-Blues? Evolutionsmedizinische und kulturenvergleichende Aspekte.
MARSHALL KLAUS: Die Bindungsbereitschaft der Eltern - Grundlage für eine sichere Bindungsentwicklung des Kindes.
HARALD WURMSER: Einfluß der pränatalen Streßbelastung der Mutter auf die kindliche Verhaltensregulation im ersten Lebenshalbjahr.
JOHN H. KENNELL: Kontinuierliche Unterstützung während der Geburt: Einflüsse auf Wehen, Entbindung und Mutter-Kind-Interaktion.
ALESSANDRA PIONTELLI: Zwillinge im Mutterleib - Die Entwicklung des Temperaments und das Verhalten der Zwillinge zueinander vor und nach der Geburt
KERSTIN UVNÄS-MOBERG in Zusammenarbeit mit Eva Nissen, Anna-Berit Ransjö-Arvidsson und Anne-Marie Widström: Die Bedeutung des Hormons Oxytocin für die Entwicklung der Bindung des Kindes und der Anpassungsprozesse der Mutter nach der Geburt.
DANIEL N. STERN Das Thema ’Liebe’
NADIA BRUSCHWEILER-STERN: Momente der Begegnung und die Entwicklung der Eltern-Kind-Bindung
FERNANDA PEDRINA: Verarbeitung postpartaler Krisen in der Gruppenpsychotherapie.
PHYLLIS KLAUS: Kurzzeitpsychotherapie in der perinatalen Zeit zur Verringerung von psychischen und körperlichen Symptomen und zur Erleichterung der Entwicklung der Eltern-Kind-Bindung.
IAN BROCKINGTON: Die Notwendigkeit von Behandlungseinheiten für Mutter und Kind (»mother-baby units«) in der Psychiatrie.
HANS-PETER HARTMANN und BETTINA GRANDE: Stationäre Behandlung von Müttern mit postpartalen psychiatrischen Erkrankungen und ihren Kindern nach dem ’Heppenheimer Modell der Mutter-Kind-Behandlung’
KARL HEINZ BRISCH: Prävention durch prä- und postnatale Psychotherapie.

Eine kurze und prägnante Vorstellung der Beiträge geben die Herausgeber in ihrer Einleitung:
»Das vorliegende Buch faßt verschiedene Beiträge zusammen, die sein Thema aus unterschiedlichen Perspektiven bearbeiten. Es werden sowohl Ergebnisse aus der Grundlagenforschung dargestellt als auch anhand von Fallbeispielen die psychotherapeutische Arbeit im Kontext von Schwangerschaft und Geburt sowie in der Nachgeburtszeit veranschaulicht.
     Gisela Schleske beschreibt, welchen Einfluß Schwangerschaftsphantasien der Mütter auf die spätere Mutter-Kind-Beziehung ausüben und wie bereits pränatal der »psychische Platz« des zukünftigen Kindes durch Zuschreibungen, Befürchtungen und Hoffnungen der Eltern während der Geburt bestimmt wird.
     Der Beitrag von Gerald Hüther macht deutlich, welchen Einfluß vorgeburtliche Erfahrungen auf die genetischen Programme ausüben und wie hierdurch die Gehirnentwicklung bereits pränatal sehr unterschiedlich durch die jeweiligen Umwelterfahrungen und Interaktionserfahrungen des Föten beeinflußt werden kann.
     Manchmal sind Familienglück und Elternschaft nur nach reproduktionstechnischer Intervention möglich. Carola Bindt diskutiert, welche langfristigen Konsequenzen sich aus der nun seit fast 30 Jahren bestehenden Möglichkeit der In-vitro-Fertilisation für die psychische Situation und die Entwicklung des Kindes ergeben.
     Drogenabhängige Schwangere benötigen eine besondere psychotherapeutische Betreuung, damit die pränatale und postnatale Mutter-Kind-Beziehung sich trotz dieser Risikokonstellation entwickeln kann, wie Ralph Kästner, Kristin Härtl und Manfred Stauber zeigen.
     Schwangerschaft und Geburt sowie die Anfänge der Eltern-Kind-Beziehungen werden in verschiedenen Kulturen ganz unterschiedlich gestaltet, wie die evolutionsmedizinischen und kulturvergleichenden Arbeiten von Wulf Schiefenhövel nachweisen. Besonders das »Bedding-in« wird von ihm unter diesen Aspekten als Prophylaxe gegen den Baby-Blues beschrieben.
     Marshall Klaus berichtet aus seinen langjährigen Forschungsarbeiten über das elterliche »Bonding«. Diese frühen Bindungsbereitschaften der Eltern, die schon während der Schwangerschaft beginnen und nach der Geburt auch durch hormonelle Veränderungen bedingt sind und durch einen unmittelbaren Kontakt zwischen Mutter und Baby besonders gefördert werden können, werden von ihm als die Grundlage für eine sichere Bindungsentwicklung des Kindes dargestellt. Er betont, wie wichtig der frühe Kontakt zwischen dem Säugling und seinen Eltern ist und daß jegliche Form von Trennung zwischen Eltern und Kind - bei frühgeborenen und reifen, genauso wie bei kranken Säuglingen - auf jeden Fall vermieden werden sollte, um die Bondingprozesse nicht zu erschweren oder im schlimmsten Falle zu verhindern.
     Die Forschungsarbeiten von Harald Wurmser über den Einfluß der pränatalen Streßbelastung der Mutter auf die Entwicklung des Säuglings zeigen sehr eindrücklich auf, wie unverarbeitete Ängste aus der Schwangerschaftszeit einen langfristigen Einfluß auf die kindliche Verhaltensregulation im ersten Lebensjahr ausüben können. Gerade diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer pränatalen psychotherapeutischen Betreuung von unter Ängsten leidenden Schwangeren, damit die Säuglinge keine frühen Regulationsstörungen mit Schrei-, Schlaf- und Bindungsschwierigkeiten entwickeln.
     John Kennell untersuchte in seinem bahnbrechenden Lebenswerk, welche Bedeutung die kontinuierliche emotionale Unterstützung der Schwangeren während der Geburt auf die Wehen und den Verlauf der Entbindung sowie auf die Entwicklung der Mutter-Kind-Interaktion in den ersten Lebensmonaten hat - eine Thematik, der er sich auch in seinem Beitrag für diesen Band widmet.
     Zwillinge können bereits im Mutterleib miteinander interagieren, was die Entwicklung des Temperaments und des Verhaltens untereinander auch nach der Geburt wechselseitig beeinflussen kann, wie die Studien von Alessandra Piontelli mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen bei Zwillingen eindrücklich aufzeigen.
     Die grundlegenden Studien von Kerstin Uvnäs-Moberg belegen, welchen Einfluß das Hormon ’Oxytocin’ sowohl für die Anpassungsprozesse der Mutter nach der Geburt als auch für die Entwicklung der Bindung zwischen Säugling und Mutter hat.
     Während Daniel Stern verdeutlicht, daß die ’Liebe’ zwischen Mutter und Kind mehr ist als Bindung und mütterliche Feinfühligkeit, zeigt Nadia Bruschweiler-Stern auf, wie besondere affektive Momente der Begegnung in sogenannten ’Gegenwartsmomenten’ zwischen Mutter und Kind entstehen können.
     Da ein erschreckend hoher Anteil von Müttern nach der Geburt in eine postpartale Krise gerät und allein 15-20% aller Mütter an einer behandlungsbedürftigen schwerwiegenden postpartalen Depression erkranken, sind dringend neue Wege der psychotherapeutischen Begleitung und Unterstützung für diese Mütter erforderlich. Fernanda Pedrina schildert sehr anschaulich anhand von Fallbeispielen ihre Methode der Gruppenpsychotherapie mit Müttern in postpartalen psychischen Schwierigkeiten und berichtet über ihre Forschungsergebnisse.
     Phyllis Klaus ist weltweit eine der renommiertesten Trauma-Psychotherapeutinnen; seit vielen Jahren verbindet sie Untersuchungen und klinische Erfahrungen in der Behandlung von Schwangeren, die traumatische Erlebnisse in der pränatalen, perinatalen und postnatalen Zeit hatten, miteinander. An mehreren Fallbeispielen zeigt sie sehr eindringlich, wie eine frühe psychotherapeutische Intervention mit einem traumazentrierten Fokus sowohl psychische als auch körperliche Symptome der Schwangeren verändern und die Entwicklung der Eltern-Kind-Bindung unterstützen kann.
     Manche Mütter erkranken nach der Geburt so schwerwiegend, daß sie stationär in einer psychiatrischen Behandlungseinheit aufgenommen werden müssen. Ian Brockington, der Wegbereiter der Behandlungseinheiten für eine gemeinsame Behandlung von Mutter und Kind in der Psychiatrie, berichtet über Chancen und Risiken solcher Behandlungsmodelle. Er fordert, daß in allen psychiatrischen Krankenhäusern ausreichend Betten für solche gemeinsamen Aufnahmen von Mutter und Kind für die Behandlungen eingerichtet werden sollen.
     Vorbildlich ist eine solche stationäre Mutter-Kind-Behandlungseinheit für Mütter mit postpartalen psychiatrischen Erkrankungen von Hans-Peter Hartmann in Heppenheim aufgebaut worden. Hans- Peter Hartmann und Bettina Grande berichten anhand von Fallbeispielen, wie Mütter mit schweren psychiatrischen Erkrankungen in solchen Einheiten behandelt werden und auch der Aufbau der Mutter-Kind-Beziehung ganz gezielt gefördert und unterstützt werden kann.
     Karl Heinz Brisch stellt abschließend an Forschungsergebnissen sowie an klinischen Fallbeispielen dar, welche Möglichkeiten in der pränatalen und postnatalen präventiven Psychotherapie bestehen. Diese ist besonders dann notwendig, wenn die Schwangerschaft durch eine pränatale Fehlbildungsdiagnostik oder auch durch vorzeitige Wehentätigkeit belastet ist und die Schwangeren unter Ängsten leiden, aber auch, wenn das Baby durch eine Frühgeburt zur Welt kommt und eine intensivmedizinische Behandlung notwendig wird. Abschließend berichtet Brisch über sein Programm »SAFE« - Sichere Ausbildung für Eltern«, das ein Modellprojekt der primären Prävention zur Förderung einer sicheren Eltern-Kind-Bindung ist.
     Alle Beiträge zusammen geben einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der Bindung zwischen Eltern und Kind während der Schwangerschaft sowie über den Aufbau der Eltern-Kind-Bindung nach der Geburt. Risiken und Schwierigkeiten durch Ängste und psychische Krisen - bis hin zur psychiatrischen Erkrankung -, die diese Prozesse stören und behindern können, werden beschrieben. Auf dem Boden der Grundlagenforschung werden psychotherapeutische Hilfestellungen und Möglichkeiten der Behandlung an eindrücklichen klinischen Behandlungsbeispielen aufgezeigt.«

Kurt Eberhard  (Febr. 2007)

s.a. Lydia Oehling: Nähe zulassen - Ein Dokumentarfilm über die frühe Förderung der Eltern-Kind-Bindung und die Bedeutung einer “sicheren Bindung” für die Entwicklung des Kindes

 

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