FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2006

 



Wolf Ritscher (Hrsg.)

Systemische
Kinder- und Jugendhilfe

Anregungen für die Praxis

Carl-Auer-Verlag, 2005, 336 Seiten, 29,95 Euro


In dem vorliegenden Buch wird ein theoretischer Rahmen für systemische Jugendhilfe beschrieben. Der Einführung des Herausgebers folgen zehn Artikel, in denen Praktiker zu Wort kommen, ihre Projekte vorstellen und anhand von Fallbeispielen zugrunde liegende Konzepte beschreiben. Den Abschluss bilden zwei Beiträge zur Planung und Fortbildung.

Zunächst zu den Autorinnen und Autoren:

Ahrens, Peter; Jg. 1943; Jugendleiter (Soz.-Päd.) im Christlichen Jugenddorf - CJD, Jugendleiterausbildung, Fortbildungen in Freizeit- und Individualpädagogik, Medienpädagogik für Kinder und Jugendliche; Mitarbeiter bei den SOS-Kinder- und Jugendhilfen Göppingen.
Kontakt: peter.ahrens@sos-kinderdorf.de

Baum, Eyke; Jg. 1957; Dipl.-Päd., Dipl.-Soz.-Päd., systemische Familientherapeutin; seit 1989 bei den SOS-Kinder- und Jugendhilfen Göppingen.
Kontakt: eyke.baum@sos-kinderdorf.de

Bertsch, Horst E.; Jg. 1958; Diplompsychologe; Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis (VT) und in der Leitung des Profi-ler Instituts für professionelle Entwicklung, Ausbildung, Coaching, Supervision, Organisationsentwicklung, Paar- und Familientherapie, Selbsterfahrungsseminare.
Kontakt: www.PROFI-LER.de; hotmail@PROFI-LER.de

Böing, Herbert; Jg. 1953; Sozialarbeiter (FH), M. A. 25-jährige Tätigkeit als Berater und Sozialarbeiter in der Jugendhilfe; seit 10 Jahren freiberufliche Tätigkeit als Supervisor, Coach, Entwicklungsberater und Dozent an einer Fachschule für Heilpädagogik.
Kontakt: www.PROFI-LER.de; hotmail@PROFI-LER.de

Buggenthien, Ute; Jg. 1961; Dipl.-Soz.-Arb. (FH); Zusatzausbildungen in Systemischer Paar- und Familientherapie (DGSF) und Supervision (DGSF), Sozialmanagement und Organisationsberatung; Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung von Kindern und Jugendlichen (AGFJ) Pfalz.
Kontakt: Ute. Buggenthien@famconnect.de

Fischer, Gerlinde; Jg. 1954; Erzieherin, Systemische Familientherapeutin (DGSF), Systemische Supervisorin (DGSF), Psychotherapeutin (ECP); eigene Praxis für Aufsuchende Familienberatung, Supervision für pflegerische, pädagogische und pastorale Dienste, Projektentwicklung in der Jugendhilfe; Leitung der Systemischen Familienschulen und Wohngruppen im Landkreis Biberach a. d. Riss.
Kontakt: fischer-gerlinde@t-online.de

Gessner, Monika; Jg. 1973, Dipl.-Soz.-Päd. (BA), Systemische Beraterin, Genderpädagogin; z. Zt. in Erziehungszeit; zuletzt tätig bei den SOS-Kinder- und Jugendhilfen Göppingen.
Kontakt: kinder-jh-goeppingen@sos-kinderdorf.de

Heppel, Sabine; Jg. 1964; Dipl.-Soz.-Päd. (FH); Familientherapeutin, Supervisorin, Traumatherapeutin; hauptberuflich tätig im Allgemeinen Sozialdienst eines Jugendamtes; Fortbildungsangebote in verschiedenen Kontexten.
Kontakt: heppelsabine@onlinehome.de

Herchenhan, Michaela; Jg. 1954; Diplompädagogin; Systemische Paar- und Familientherapeutin in eigener Praxis, Supervisorin, Organisationsberaterin und Referentin in verschiedenen Instituten und Organisationen. In Weiterbildung zur Lehrtherapeutin im Wenger Mühle Centrum (WMC).
Kontakt: Herchenhan.FamilieundSystem@t-online.de

Herrmann, Franz; Jg. 1959; Dr. rer. soc, Dipl.-Päd., Dipl.-Soz.-Arb. (FH); Professor an der FH Esslingen - Hochschule für Sozialwesen mit den Themenbereichen Soziale Dienste und Sozialplanung.
Kontakt: herrmann@hfs-esslingen.de

Heyd, Annette; Jg. 1966; Dipl-Soz.-Päd. (FH); Zusatzausbildung in Erlebnispädagogik, Fortbildungen: Medienreferentin in der  Jugendhilfe, Qualitätsmoderatorin nach dem GAB-Verfahren; Pädagogische Mitarbeiterin im "Treffpunkt" der SOS-Kinder- und Jugendhilfen Göppingen.
Kontakt: annette.heyd@sos-kinderdorf.de

Jager, Cornelia; Jg. 1961; Dipl.-Soz.-Päd./Dipl.-Soz.-Arb. (FH); Zusatzausbildungen in Systemischer Familientherapie und Mediation; Case-Management-Ausbilderin; Sachgebietsleiterin am Jugendamt Dresden für den Stadteilsozialdienst Neustadt, Pieschen und Klotzsche; Lehrbeauftragte an der EHS Dresden.
Kontakt: Cjager@dresden.de

Joos, Susanne; Jg. 1960; Ev. Theologin und Familientherapeutin; Mitglied des "Teams für Aufsuchende Familientherapie (TAF)"; eigene Praxis für Paartherapie; Pfarrerin der Ev. Landeskirche in Württemberg.
Kontakt: susanne.joos@t-online.de

Kron-Klees, Friedhelm; Jg. 1939; Dr. phil., Soziologe; psychologischer Berater, Supervisor, Systemischer Therapeut, Lehrtherapeut (SG); Arbeit in der Jugendforschung und in der Öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt beim Stadtverband Saarbrücken), schwerpunktmäßig in der fachlichen Beratung, Fortbildung und Qualitätssicherung.
Kontakt: kron-klees@t-online.de

Kühling, Ludger; Jg. 1961; Philosoph (M.A.); Familientherapeut und Supervisor (DGSF); wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Merseburg (Masterstudiengang Systemische Sozialarbeit); Tätigkeitsbereiche: Supervision, Coaching, Teamentwicklung, Fort- und Weiterbildung.
Kontakt: ludgerkuehling@gmx.de; www.systemische-sozialarbeit.de

Looft, Elke; Jg. 1944, Dipl.-Psychologin, Familientherapeutin. Leiterin der SOS-Kinder- und Jugendhilfen Göppingen.
Kontakt: elke.looft@sos-kinderdotf.de

Musch-Grau, Silvia; Jg. 1963, Dipl.-Soz.-Päd./Dipl.-Soz.-Arb. (FH); Fortbildung in Systemischer Therapie (Stuttgarter Institut für Familientherapie - STIF); Beratung von Familien im ASD - Jugendamt Stuttgart.
Kontakt: silvia.musch-grau@arcor.de

Reiner, Albrecht; Jg. 1963; Dipl.-Theologe und Systemischer Therapeut (SG); freiberuflicher Systemischer Therapeut im "Team für Aufsuchende Familientherapie (TAF)", Pfarrer der Ev. Landeskirche in Württemberg.
Kontakt: albrecht.reiner@taf-info.de

Richter, Heike; Jg. 1971, Dipl.-Soz.-Arb.; Systemische Familientherapeutin; seit 1989 tätig bei den SOS-Kinder- und Jugendhilfen Göppingen; derzeit in Erziehungszeit.
Kontakt: kinder-jh-goeppingen@sos-kinderdorf.de

Ritscher, Wolf; Prof. Dr., Jg 1948, Dipl. Psychologe. Fortbildungen in Psychodrama und Systemischer Therapie/Familientherapie; seit 1988 Professor für Psychologie an der FH Esslingen – Hochschule für Sozialwesen; freiberuflicher Systemischer Therapeut, Psychodramatherapeut und Supervisor; Dozent am Institut für Systemische Therapie und Sozialarbeit (ISTS) in Waiblingen; Mitherausgeber der Zeitschrift Kontext (DGSF – Verlag Vandenhoek & Ruprecht); Autor von Fachbüchern und Fachartikeln.
Kontakt: ritscher@hfs-esslingen.de

Scholz, Dorothea; Jg. 1956, Dipl.-Soz.-Päd.; Weiterbildung zur Systemischen Therapeutin; Mitarbeiterin bei der PRO FAMILIA Stuttgart mit den Arbeitsschwerpunkten Schwangerschaftskonfliktberarung und Sozialberatung.
Kontakt: hd.scholz@t-online.de

Tenhaken, Beate; Jg. 1962; Dipl.-Soz.-Arb.; Zusatzausbildungen in systemischer Familientherapie und Sozialmanagement; z. Zt. Leiterin der Sozialen Dienste und stellvertretende Leiterin des Jugendamtes der Stadt Greven.
Kontakt: btenhaken@web.de; beate.tenhaken@stadt-greven.de

Wnuk, Werner P. E. und Wnuk-Gette, Gisal; Jg. 1940; Dipl.-Psychologen; Familientherapeuten, Supervisoren, Lehrtherapeuten; Gründer und Leiter des Wenger Mühle Centrums - Institut für Fort- und Weiterbildungen (WMC), dort seit 1978 Weiterbildungen in systemischer Beratung, Systemischer Paar- und Familientherapie, Systemischer Supervision und Organisationsentwicklung (DGSF).
Kontakt: wnukgette@wmc.ag

Die Beiträge im Überblick:

Wolf Ritscher
Systemische Kinder- und Jugendhilfe - Eine Skizze.

Beate Tenhaken
Ein netzwerk- und sozialraumorientiertes Verfahren der Einleitung von Hilfen zur Erziehung beim Jugendamt der Stadt Greven.

Cornelia Jager
Sozialräumliche Orientierung, Partiziption und Case Management in der Arbeit des ASD.

Friedhelm Kron-Klees
Der Erstkontakt mit Klienten und Klientinnen im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe.

Silvia Musch-Grau und Wolf  Ritscher 
Die systemisch-familiendynamische Mehrgenerationenperspektive zu Beginn des Hilfeprozesses.

Peter Ahrens, Eyke Baum, Monika Gessner, Annette Heyd, Elke Looft und Heike Richter
Sozialräumliche, integrierte und flexible Jugendhilfe  im Gemeinwesen: Ein systemisches Konzept.

Horst E. Bertsch und Herbert Böing
Systemische Ansätze in der stationären  Jugendhilfe.

Michaela Herchenhan und Sabine Heppel
Cleartalk - Ein systemisches Konzept für die Zusammenarbeit in sozialen Kontexten. Das Projekt Systemische Klärungsgespräche.

Ute Buggenthien
Sozialpädagogische Familienhilfe.

Albrecht Reiner, Dorothea Scholz, Susanne Joos und Wolf  Ritscher
Aufsuchende Familientherapie als ambulante Hilfe zur Erziehung.

Gisal Wnuk-Gette, Werner P. E. Wnuk und Gerlinde Fischer
Die Familienorientierung als grundlegende Perspektive in einem kommunalen Jugendhilfenetzwerk.

Franz Herrmann
Jugendhilfeplanung - Eine Methode zur Entwicklung "lernender" Organisationen und institutioneller Netzwerke.  

Ludger Kühling und Angelika Schmidt
Wie werden Jugendhilfeeinrichtungen systemisch? Systemische Personal- und Systementwicklung in einer Jugendhilfeeinrichtung.

Über das Zustandekommen einer Hilfe und die typische Klientel schreibt Kron-Klees:
„Die spezifische Klientel der öffentlichen Jugendhilfe besteht aus Personen, die einerseits unter oft extrem hohen individuellen und familiären Belastungen stehen, die andererseits jedoch nicht in der Lage sind, von sich aus für die Bewältigung ihres familiären Zusammenlebens Hilfe (Jugendhilfe und/oder therapeutische Hilfen) in Anspruch zu nehmen, soweit sie über die Sicherung materieller Unterstützung hinausgeht.
   Wenn Kinder oder Jugendliche in diesen Familien in Mitleidenschaft gezogen werden, wird dies in der Regel außerhalb der Familie wahrgenommen. Nachbarn, Verwandte, Ärzte, Erzieherinnen, Lehrer und Lehrerinnen beobachten an derart betroffenen Kindern entsprechende Erscheinungsformen (z. B. Verwahrlosung der Kleidung, Zeichen von falscher Ernährung, Male von Gewaltanwendungen) oder Verhaltensformen (z. B. Distanzlosigkeit, auffälliges Abschalten, starke Unruhe, Einnässen und/oder Einkoten, sexualisiertes Verhalten, bei älteren Kindern dann auch Schulverweigerung und/oder Suchtverhalten).
   Diese Personen können und sollen ihre Wahrnehmungen der öffentlichen Jugendhilfe (den Jugendämtern) zur Kenntnis geben. Sie werden hiermit zu einer tragenden Stütze des »staatlichen Wächteramtes« gemäß Art. 6 Satz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, der da lautet: »Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.« Der Erstkontakt der Jugendhilfe mit derartigen Familien erfolgt auf diesem Wege über die »Fremdmeldung«.
   Die Jugendhilfe bekommt auch auf andere Weise Zugang zu Familien, z. B. wenn das Familiengericht das Jugendamt zur Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren auffordert oder auch wenn sich Familien in Not von sich aus an das Jugendamt wenden. Auch das kommt vor. Aber der schwierigste und auch einzigartige Zugang öffentlicher Jugendhilfe zu Familien erfolgt über die Fremdmeldung....“ S.84

Im dann folgenden Kapitel beschreiben Musch-Grau und Ritscher die Aufgaben des Allgemeinen Sozialdienstes incl. der Sicherung des Kinderschutzes. Sie weisen auf die Konflikthaftigkeit zwischen der Wahrnehmung des Wächteramtes einerseits und der Verpflichtung zu Hilfsangeboten andererseits hin:
Der Allgemeine Sozialdienst (ASD), andernorts auch Bezirkssozialdienst genannt, ist ein fachlich breit angelegter Dienst, der die soziale Grundversorgung in der Gemeinde sichern soll. In Stuttgart ist der ASD dem Jugendamt zugeordnet. Die Aufgabenpalette dieses Dienstes umfasst die allgemeine Lebens- und Sozialberatung für Familien, junge Menschen und allein Stehende; die Beratung von Müttern, Vätern und Kindern in Erziehungs-, Sorgerechts- und Umgangsfragen; die Trennungs- und Scheidungsberatung einschließlich der Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren; die Beratung, Vermittlung und Begleitung von Jugendhilfeleistungen und die Sicherung des Kinderschutzes.
   Das Thema »Kinderschutz« hat für die Arbeit im ASD höchste Priorität. Jugendhilfe soll letztlich das »Wohl des Kindes« sichern. Dabei arbeiten die Sozialarbeiterinnen oft mit Menschen zusammen, die nicht aus eigener Initiative auf sie zukommen. Es ist typisch für die Arbeit im ASD, dass die betroffenen Menschen häufig erst noch motiviert werden müssen, Hilfe anzunehmen. Oft setzen sich Schulen, Kindergärten, Polizei oder auch besorgte Familienmitglieder und Nachbarn wegen der Auffälligkeit von Kindern und/oder ihren Familien mit dem Jugendamt in Verbindung. Dann ist der ASD gefordert, denn dieser übernimmt im Regelfall das »Wächteramt« des Staates hinsichtlich des Kindeswohls. Das ist nicht unproblematisch, denn die Delegation dieser Aufgabe an den ASD führt zur Verflechtung von Hilfe und Kontrolle bzw. Angebot und Eingriff (vgl. B. Müller 1993)...“ S. 101

Bertsch und Böing empfehlen eine an den Klienten ausgerichtete Hilfe und den undogmatischen Umgang mit der Systemtheorie. Sie warnen sogar vor übereifrigem Einsatz. Die Bedeutung der Systemtheorie sehen die Autoren in der Hypothesenbildung:
„Wie die nachfolgenden Fallbeispiele zeigen, beinhaltet der systemische Zugang zur sozialen Wirklichkeit eine Möglichkeit, Ressourcen zu erschließen, Machtfragen gezielt zu kanalisieren und Abwertungsmechanismen zu vermeiden. Um eine solche Hilfeform im Alltag zu etablieren, benötigen wir eine Hilfekultur, die bei allen Beteiligten Akzeptanz findet. Das setzt voraus, dass sich die Professionellen als lernende Gemeinschaft begreifen. Dies wird von außen erkennbar durch regelmäßige Fallbesprechungen, Supervision, die gezielte Weiterentwicklung des Methodenrepertoires und seine praxisnahe Vernetzung. Reflexive, ressourcenorientierte Arbeitsformen sind nicht allein theoretisch vermittelbar, sondern müssen ihren Platz finden in einer wohlwollenden, achtsamen Kultur, die sich als Lernort mit Wechselwirksamkeit begreift. Hierin liegt eine Anforderung an die persönliche Haltung der Beteiligten. Die Verantwortung für diesen Prozess liegt bei den Helferinnen, die auf verschiedenen Ebenen für diese Kultur sorgen müssen. Sie tragen damit modellhaft zu ihrem Fortbestand, Wachstum und auch zur ihrer eigenen persönlichen Weiterentwicklung bei. In der Praxis zeigt sich, dass gelernte systemische Methoden nur in diesem Kontext wirksam werden können.
   Methoden, die im Rahmen einer oberflächlichen »Verliebtheit« in ihre temporäre Wirksamkeit isoliert eingebracht werden, führen zu einem »Zauberlehrlingseffekt«. Kurzfristige Erfolge werden dann langfristig erkauft mit der narzisstischen Aufblähung des Helferinnenegos, das dann seine Dialogfähigkeit verliert. Dann wird nicht mehr auf die Perspektiven der anderen, in diesem Fall der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien geachtet, sondern nur noch auf den eigenen Erfolg und das eigene Prestige. Paradoxerweise verhindert dies Erfolge und führt letztlich zu Resignation und Burn-out. Die systemischen Methoden sind also nur »ergänzendes Beiwerk« im klientinnenorientierten Hilfeprozess (Sindt 2001). Sie sind hilfreich für die Dynamisierung von ins Stocken geratenen Prozessen. Häufiger Grund für solche Blockierungen ist die Vorliebe der Helferinnen, die Kommunikation ausschließlich auf der verbalen Ebene zu belassen. Oft lassen sich Situationen durch den Wechsel der Kommunikationsebene »verflüssigen« und die negative »Statik« zugunsten einer Prozesshaftigkeit herauszunehmen. Auf der verbalen Ebene fühlen sich die Adressatinnen oft den Helferinnen unterlegen und übernehmen nicht die notwendige Expertenrolle für ihre Biografie und Ressourcen. An diesem Punkt ist ein gut beherrschtes, auch auf andere therapeutische Verfahren zurückgreifendes Methodenrepertoire hilfreich....
   Die Ergebnisse der Arbeit mit unterschiedlichen Methoden bieten eine Grundlage für die Hypothesenbildung, verweisen auf Ressourcen für die Problemlösung und gestatten es, dysfunktionale Lebenskonzepte zu verstören. Dann können Veränderungsziele dialogisch bestimmt und entsprechende Handlungspläne für den Alltag entwickelt werden. Dies ergibt eine »Landkarte« für den Hilfeverlauf und seine regelmäßige Kontrolle in Hilfeplan- und Beratungsgesprächen...“  S. 183f.

Herrmann sieht das Potenzial der Systemtheorie noch weitgehend ungenutzt und führt dies vor allem auf fehlende finanzielle Mittel zurück:
„Leider ist angesichts der aktuellen Finanzprobleme bei den öffentlichen Trägern der Jugendhilfe nach meiner Beobachtung momentan ein Trend festzustellen, die genannten Ebenen und Instrumente zu vermischen, den auf Fachlichkeit, Diskurs und Partizipation gerichteten Teil von Planung zu vernachlässigen und diese stattdessen ausschließlich zur Erzielung von Einsparungen bei Jugendhilfeausgaben nutzen zu wollen.
Angesichts dieser zahlreichen Defizite in der Planungspraxis wird deutlich, dass das innovative Potenzial der Methode momentan weitgehend ungenutzt bleibt.“ S. 296

Abschließend resümieren Kühling und Schmidt:
„Systemisch zu arbeiten, ist keine Modeerscheinung, der systemische Ansatz hat sich in therapeutischen Arbeitsfeldern wie in der gesamten psychosozialen Arbeit etabliert.... (S. 297) ... Durch die kontinuierliche Thematisierung der systemischen Gestaltung des Jugendhilfealltags in den Gremien der Einrichtung und auf den unterschiedlichen Hierarchieebenen wird eher als bei traditionellen Inhousefortbildungen gewährleistet, dass die Neuorientierung der Einrichtung im Alltag einen hohen Stellenwert bekommt. Die hohe Überlegenheit dieses Lernprozesses, der gleichrangig auf die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen, die Teilsysteme und die Umgestaltung der Schlüsselprozesse fokussiert, besteht darin, dass er in maximaler Weise alle schon in der Einrichtung vorhandenen systemischen Potenziale kostengünstig nutzt.“ S. 325

Diesem Optimismus kann ich mich nicht anschließen, denn nach wie vor fehlen empirische Wirksamkeitsnachweise, die andere Therapieschulen längst erbracht haben (s. z.B. Resch u. Schulte-Markwort). Insgesamt handelt es sich aber um ein Buch, das überwiegend für eine undogmatische, d.h. hypothesengenerierende Nutzung der Systemtheorie votiert und eine Fülle praktischer Anregungen enthält. Es ist deshalb allen praktizierenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sehr zu empfehlen.

Christoph Malter (Jan. 2006)

 

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