FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2001

 

Amanda Michalopoulou

Oktopusgarten

Rotbuch Verlag Hamburg, 1999
List Taschenbuch, 2001
ISBN 3-584-60081-6
17,50 DM

 


Dies ist ein Roman, kein Fachbuch. Ihn an dieser Stelle zu empfehlen, ist gleichwohl angebracht, denn es ist die Geschichte einer „normalverrückten“ Familie über drei Generationen, die sich als Denkhintergrund für Biographiearbeit hervorragend anbietet, weil sie in verschiedenen dichterischen Formen deutlich macht, daß es unterschiedliche Wahrnehmungen und mehrere Möglichkeiten gibt, die Wirklichkeit zu konstruieren.

„Wer sagt eigentlich, das Leben sei eine Stickerei, die man am Anfang von der Vorderseite und am Ende von der Rückseite sieht? Wer es auch ist, er hat unrecht. Man dreht die Stickerei immer wieder um und sucht nach Verbindungen zwischen den Fäden. Das ist eine Frage des Charakters nicht eine des Alters.“ (S.92)

Durchgängig werden von der Autorin (Jg. 1966) zwei Erzählfäden, die einer Ich-Erzählerin Athina und die ihres jüngeren Bruders Ilias, ganz kunstvoll miteinander verwoben. Der Bruder, in London lebend, hat zu einem früheren Zeitpunkt Geschichten über seine Familie in Englisch aufgeschrieben und die Schwester, nach wie vor im Zusammenhang der Familie in Griechenland (meist Athen) lebend, übersetzt diese Geschichten ins Griechische und macht ein Buch daraus.

Während die Ich-Erzählerin im geordneten zeitlichen Kontinuum berichtet, (abgesehen von spannungserhöhenden, Neugier kitzelnden kurzen Vorausblicken) nehmen die Geschichten des Bruders recht wundersame Sprünge.

„Die Erzähler sind Kochzutaten: ein Petersilienzweig, eine Olive, ein faules Ei werden personifiziert und erzählen das Leben in unserer Familie unter Abwandlung der Geschehnisse, wobei sie aber das Essentielle gerade unberührt lassen.“(S.46/47)

Die so berichteten Episoden sind auf sehr unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelt und reichen bis in die Kinderzeit der beiden Erzähler. Die Ich-Erzählerin kommentiert und sortiert diese Geschichten beim Übersetzen und konfrontiert sie mit ihrer jeweiligen Gegenwart. Dadurch werden interessante Brechungen der Perspektiven möglich. Gleichzeitig wird eine Familienkonstellation und ein Familiendrama mit einem Dutzend Personen vor den Augen der Leserinnen und Leser entfaltet und zusammen mit einem farbigen Bild der individuellen Entwicklung der Erzählerin erlebbar.

„Heute nach der Wendung der Geschehnisse, habe ich meine Ansichten in bezug auf den Zufall revidiert. Zufällig ist, wie ich meine, dasjenige, was unseren Weg kreuzt, um uns zu beweisen, daß nichts zufällig ist.“(S.8)

Über den Kern des Romans - der Familen- und Individualentwicklung und ihr aufeinander Bezogensein - hinaus, gibt es viele weitere Aspekte, die das Buch zum Lesegenuß und Spaß machen: Griechische Gerichte in Fülle (nicht immer nachkochbar), das Thema Kochen und Essen als Zentralthema einer Familie und ein Kochrezept als Familiengeheimnis – manchmal ein bißchen viel des Guten, aber immer wieder assimilierbar durch witzige bis burleske Bilder. „Mein Bruder verwendete seine Grundidee – Speisen, die sprechen und pausenlos philosophieren – auf pompöse Weise“(S.72)

  • Überraschende Metaphern und eine Einführung in linguistische Theorien im Taschenformat.
  • Tiefenpsychologische Einsichten, philosophische Fragen, vermischt mit Großmutters Alltagserkenntnis.
  • Viel Humor, Selbstironie und Selbstkritik. Bezaubernde erotische Szenen.
  • Mord und Knochenbruch. „Unterdessen hatten sich dramatische Dinge zugetragen: ein Mord, ein verheerender Knochenbruch..., eine Trennung“(S.8)
  • Viele Einsichten und Ansichten über das Bücherschreiben. „In einem autobiographischen Text sind die kleinen Abänderungen keine Konventionen – sie sind Wunschträume des Autors“ (S. 73)
  • Prof. Dr. Uta McDonald-Schlichting, Nov. 2001

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