FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2002

 

Silvana Klein

Affenliebe

Die Geschichte eines langen Entzuges

Kiepenheuer & Witsch, 2002, 8,90 Euro

Affenliebe ist die Autobiografie der heute 31-jährigen Radiomoderatorin Silvana Klein. Die Mutter ist tabletten- und drogenabhängig, häufig von Obdachlosigkeit bedroht und die Stiefväter sind gewalttätig. Die Autorin wächst ohne Halt und Geborgenheit auf, fühlt sich als kleines Mädchen für die Mutter verantwortlich und versucht sie vor den Schlägen der Stiefväter zu bewahren. Früh wird sie selbst drogenabhängig. Aber ihre Geschichte beginnt im Uterus:
„Das erste Mal kam ich mit LSD in Berührung, als ich im Fruchtwasser meiner lieben Mama schwamm. Da war sie im vierten Monat. Erfahren habe ich es aber erst 15 Jahre später, als ich mit ihr den ersten - oder, wenn man so will, zweiten - Trip nahm. Und um noch mal vorzugreifen: Am 11. September 1989 setzte ich mir auf dem Raschplatzklo, wieder mit Mama, den letzten Druck. Seitdem bin ich absolut pillen- und pulverclean.
Ich wurde am 20. Geburtstag meines Vaters, dem 3. Dezember 1970, auf dem Teppich von hinten gezeugt. Vielleicht hat Mama mich deswegen nicht gleich bemerkt; sie dachte, man könne von hinten nicht schwanger werden. Als sie es dann mitbekam, wollte sie mich mit »heißem Wasser« wegmachen, auch mit einer Stricknadel hat sie es versucht. Papa trat ihr in den Bauch, als er es erfuhr.
Meine Ma hat also erst im vierten Monat gemerkt, dass ich bei ihr Einzug gehalten hatte - da war der Trip schon gegessen. »Meine erste Captagon«, schrieb sie in ihrem Tagebuch, »bekam ich von meinem Vater, weil ich nicht zur Arbeit wollte. Ich war 14. Ich bekam dann von ihm noch andere Tabletten, die mich alle Probleme vergessen ließen. Aber ich brauchte immer mehr, und Nachschub war immer da. Als ich erfuhr, dass ich schwanger bin, ließ ich sofort die Finger von den Tabletten, es ging auch ohne, zumal ich verliebt war.« Sie hörte auch auf zu rauchen und war total stolz auf ihren Bauch.
Zu der Zeit wurde sie auch aus dem Heim entlassen, in das man sie gesteckt hatte. Sie war als jüngstes von drei Kindern in Mittelfelde als Hausgeburt zur Welt gekommen, als Krebs, Aszendent Zwilling, 1954, im Jahr des Pferdes. Opa ist der Fromms geplatzt, erklärte sie mir später. Ich habe Konfirmationsfotos von ihr gesehen und sie kaum wieder erkannt: ein fröhliches Mädchen mit blondem Haar und grünen Augen, frei von jeder Schuld. Das waren so ziemlich die einzigen fröhlichen Fotos von ihr. Oder hatte Opa ihr an dem Tag die erste Captagon gegeben? Er war zu 80 Prozent hirngeschädigt, weil er von einem Baugerüst gefallen war, und auf Pillen angewiesen. Vielleicht hat er sich gedacht, damit das Kind morgens fit genug ist, gebe ich ihr mal 'ne Captagon. Und wenn sie von der Schule oder Arbeit kam, gab's die gegenteilige Version: Optalidon, mit 30 mg Codeinphosphat, damit sie wieder runterkam.
Mein Opa war pädophil veranlagt, er hat sich an seiner Tochter, meiner »Gruseltante« Darla, vergriffen. Sie wurde auch tablettensüchtig. Meine Oma hat das wohl nicht so mitbekommen wollen. Sie war zuckerkrank, törnte sich auch mit Alk und Tabletten an und techtelte mit dem Bruder meines Opas rum.
In Mamas Heimzeit machte ihre beste Freundin Silvana Selbstmord - von ihr habe ich den Namen; Papa nannte mich Nina. Mama war Brian-Jones-Fan, sie trug die Haare wie er, Papa auch. So lernten sie sich kennen - um mich zu zeugen.
Ich wurde pünktlich neun Monate später aus dem Bauch gepresst, am 1. September 1971 - meines Zeichens Jungfrau, mit Aszendent Skorpion, im Jahr des Schweines, als Wegbegleiter die Schlange und den Mond im Steinbock. Papa war nach meiner Geburt drei Tage besoffen. Ich bin seine zweite Tochter, genau ein Jahr zuvor war meine »ominöse« Schwester Daniela geboren worden, die ich bis heute nie gesehen habe. Dabei wuchs sie in einem Dorf ganz in der Nähe auf. Sie soll aussehen wie ich mit Brille.“ (S. 7f.)

Kein Wunder, dass Silvana Klein in die Drogenabhängigkeit abstürzt, verbunden mit Beschaffungskriminaltät, Babystrich und zunehmender Verwahrlosung. Beim Lesen drängt sich die Frage auf: Wieso intervenierte das Jugendamt nicht rechtzeitig? Erste Therapieauflagen gab es erst, als Silvana Klein schon fast 14 Jahre alt war. Die folgenden therapeutischen Interventionsversuche blieben jedoch erfolglos, und der Abstieg in Drogensucht und Beschaffungskriminalität mündete im Gefängnis. Danach setzte eine überraschende Wende ein. Eine 20 Monate dauernde Therapie verlief erfolgreich. Silvana Klein löst sich von ihrer Familie und beginnt ein geordnetes Leben. Ein irritierendes, ein beeindruckendes Buch, über einen Lebensweg aus dem Schattenbereich unserer Gesellschaft, den keine psychologische Theorie vorhergesagt hätte.

Christoph Malter (September 2002)


 

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