FORUM: Internetzeitschrift des Landesverbandes für Kinder
in Adoptiv und Pflegefamilien S-H e.V. (KiAP) und der Arbeitsge-
meinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie (AGSP)


 

Rezension / Jahrgang 2003

 

Ronald Hofmann

Bindungsgestörte Kinder und Jugendliche mit einer Borderline-Störung.

Ein Praxisbuch für Therapie, Betreuung und Beratung.
Klett-Cotta (Stuttgart) 2002. 269 Seiten.
ISBN 3-608-94314-5,
EUR 22,50.

 

Einführung in die Themenstellung
Die Bewältigung borderlinetypischen Problemverhaltens Jugendlicher stellt aufgrund seiner Intensität und Häufigkeit eine der zentralen Aufgaben in Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychotherapie dar. Es besteht im fachlichen Diskurs mittlerweile weitgehend Einigkeit, dass es sinnvoll ist, die Borderline-Symptomatik als Selbstregulationsstörung zu betrachten und zu behandeln. Aus dieser Perspektive, die auch Hofmann zur Beschreibung der Symptomatik wählt, konnten prinzipiell überzeugende Behandlungsansätze entwickelt und erfolgreich angewendet werden. Die kritische Prognose der Störung bei weiterhin leider oftmals ungünstigen Hilfeverläufen hängt jedoch stark mit der interpersonellen Dynamik der Störung zusammen. In der Interaktion mit borderlinegestörten Jugendlichen besteht ein hohes Risiko, dass Entgleisungen der Nähe-Distanz-Regulation zum Abbruch des Hilfeprozesses führen. Bei diesem Problem, das Jugendliche in besonderer Weise betrifft, liegt der Schwerpunkt des Buches. Die soziale Dynamik der Borderline-Störung wird in einem bindungstheoretischen Begriffsrahmen rekonstruiert. Auf der Grundlage dieser bindungs- und entwicklungspsychologischen Rekonstruktion skizziert Hofmann einen von ihm vertretenen Jugendhilfe-Ansatz, der ein langfristig "haltendes" und "aushaltendes" Betreuungsangebot mit professioneller Nähe-Distanz-Regulation beinhaltet.

Entstehungshintergrund
Die dem Buch zugrundeliegende Praxiserfahrung stammt aus der Verbundenheit des Autors mit dem Jugendhilfeträger MOVE in Schwarzenberg, der sich auf stationäre Jugendhilfen für borderlinegestörte Jugendliche spezialisiert hat. Wissenschaftlich begleitet wurde die praktische Arbeit im Rahmen eines Forschungsprojekts "Borderline-Störung im Kindes- und Jugendalter" durch den Autor und Professor Ettrich am Institut für Entwicklungspsychologie, Persönlichkeitspsychologie und Psychodiagnostik an der Universität Leipzig. Der Autor, promovierter Fachpsychologe der Medizin und Psychologischer Psychotherapeut, ist Herausgeber der Zeitschrift für praxisorientierte Jugendhilfeforschung.

Aufbau und Inhalte
Das Buch ist klar gegliedert in einen phänomenologischen Teil, der sich auf die störungstypische Symptomatik und das Selbsterleben der Betroffenen bezieht, einen theoretischen Abschnitt, der die zentralen Störungen aus bindungstheoretischer Sicht rekonstruiert, und ein Schlusskapitel, das Implikationen für Betreuung und Behandlung zusammenfasst. Die Darstellung bleibt durch zahlreiche Fallbeispiele einerseits praxisnah, andererseits sind die theoretischen Reflexionen weitreichend, dabei aber meist gut nachvollziehbar und fundiert. Nur phasenweise wirkt die Darstellung etwas eng an psychoanalytischen Konstruktionen orientiert, weitaus überwiegend leistet Hofmann eine phänomenologisch ausgerichtete Rekonstruktion borderlinetypischen Verhaltens und Erlebens, die viel relevantes Wissen integriert und in ihrer Klarheit und Geschlossenheit sehr überzeugend wirkt.

Zielgruppen und Verwendbarkeit
Das gut lesbare Buch kann eine echte Hilfe sein, sich besser in borderlinegestörte Jugendliche einfühlen zu können, die aus der alltäglichen Interaktion heraus oft so schwer zu verstehen und "auszuhalten" sind. Zielgruppe des Buches ist von daher vor allem betreuendes und therapeutisches Personal in Einrichtungen der Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie. Als Voraussetzung erfolgreicher Betreuung und Behandlung von Jugendlichen benennt Hofmann aber auch die Qualität der institutionellen Zusammenarbeit und Möglichkeiten intensiver multimodaler Betreuung. Zur engeren Zielgruppe des Buches gehören daher auch Mitarbeiter des Jugendamtes, die bei der Einleitung, Planung und Fortschreibung der Hilfen große Verantwortung übernehmen.

Fazit
Insgesamt handelt es sich um wirklich lesenswertes Buch. Verzweigtes theoretisches Wissen wird mit großer Klarheit zu einer überzeugenden, phänomenologisch nachvollziehbaren Darstellung integriert. Der Autor positioniert sich dabei für einen bindungstheoretisch fundierten Hilfeansatz, der in sich stimmig und plausibel wirkt. Das Konzept eines solchen Ansatzes ist allerdings nur skizziert und regt zu praxisorientierten Nachfragen an. Wünschenswert für eine zweite Auflage wäre insbesondere die Auseinandersetzung mit der Frage, wie das "haltende" Konzept mit Abbruchimpulsen umgeht, die von den Jugendlichen ausgehen, und in welcher Weise die primären Bezugspersonen und auf diese zielende Bindungsimpulse in die Hilfeplanung integriert werden.

Dipl.Psychol. Christian Brandt
Psychologischer Psychotherapeut, Diplom Soziologe
Kinder- und Jugendpsychiatrie am Zentrum für Psychiatrie Weinsberg
E-Mail:
Brandtrezension@aol.com
s.a.
http://www.socialnet.de/rezensionen/index.html

 

 

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